Acrylamid in Lebensmitteln: Ein ernstzunehmendes gesundheitliches Risiko

Deutsches Bundesinstitut für Risikobewertung spricht vom „mit Abstand“ größten Problem seit Jahren

Im April dieses Jahres hat die Schwedische Gesundheitsbehörde über hohe Acrylamidfunde in frittierten, gebratenen, gerösteten und gebackenen Produkten berichtet und gleichzeitig ein daraus möglicherweise resultierendes relevantes Krebsrisiko für den Menschen andiskutiert. Acrylamid löst im Tierversuch Krebs aus und schädigt das Erbgut. Internationale Gremien halten ein Auftreten dieser Wirkung auch beim Menschen für wahrscheinlich. Untersuchungen in verschiedenen Ländern konnten die in Schweden gefundenen hohen Konzentrationen an Acrylamid in stärkehaltigen und frittierten, gebratenen und gebackenen Lebensmitteln bestätigen und zeigen damit auf, dass es für dieses Problem praktisch keine nationalen Unterschiede gibt.
Die Entstehung von Acrylamid in Lebensmitteln ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Zwei Forscherteams aus der Schweiz und Grossbritannien kommen zum Schluss, dass sich Acrylamid beim starken Erhitzen von Nahrungsmitteln wie Kartoffeln und Mehl, die bestimmte Sorten Zucker und die Aminosäure Asparagin enthalten entsteht. Temperatur, Erhitzungsdauer, Trockenheitsgrad, die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und bei Kartoffeln auch Sorte und Lagerbedingungen dürften, neben weiteren Faktoren, auch eine Rolle spielen. Daher ist es in Kartoffelchips ebenso enthalten wie in Pommes frites, Kekse, Cornflakes und Knäckebrot – in zum Teil bedenklichen Konzentrationen.

Das Schweigen unserer Lebensmittelüberwachung

Italienweit herrscht über dieses Thema fast vollständiges Schweigen. Vor allem die Behörden, die sich um die Gesundheit und Sicherheit der Lebensmittel kümmern sollten, geben keine Informationen von sich. Eine kurze Internetumschau der Verbraucherzentrale hat zu nichts geführt. Die Frage drängt sich auf, ist Italien wirklich so abgekapselt von der europäischen Entwicklung oder wird hier bewußt vertuscht. Während in anderen Ländern schon an einer Minimierungsstrategie gearbeitet wird, hat hier die Diskussion noch nicht einmal begonnen. Das deutsche Verbraucherschutzministerium ist bereits dabei Erkenntnislücken in folgenden vier Punkten zu schließen:

  • Technologie
    Hier geht es darum, durch Änderungen des Herstellungsprozesses von Lebensmitteln und bei der Auswahl, Behandlung und Zusammenstellung von Rohprodukten den Acrylamidgehalt zu senken. Hier ist auch die Forschung der beteiligten Industrie mit einbezogen.
    Toxikologie
    Auf der Grundlage intensiverer Erforschung der Dosis-Wirkungsbeziehungen und der Auswirkungen von Acrylamid im Körper sollen Grenzwerte und Höchstmengen entwickelt werden.
    Exposition
    Geklärt werden muss, welche Bevölkerungsgruppen durch Aufnahme welcher Lebensmittel einem besonderen Risiko hoher Acrylamidaufnahme ausgesetzt sind. Darauf aufbauend können dann zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.
    Analytik
    Hier sind inzwischen deutliche Fortschritte erreicht worden. Das BgVV hat inzwischen eine standardisierte Analyse-Methode entwickelt, die in Kürze im Internet veröffentlicht wird. Erste Ringversuche mit rund 35 staatlichen und privaten Labors bestätigten eine große Zuverlässigkeit der Analytik und einen hohen Standard der beteiligten Labors.

In der Zwischenzeit ist die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern und ihnen Hilfen an die Hand zu geben, wie sich auch in der eigenen Küche das Entstehen von Acrylamid verringern lässt.

Empfehlungen und Tipps:

  • Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist grundsätzlich sinnvoll.
    Insbesondere Kinder können bei einer einseitigen Ernährung mit vielen Pommes frites und Chips den von der Weltgesundheitsorganisation WHO angegebenen Grenzwert für die Acrylamidaufnahme recht schnell erreichen.
    Derzeit höher belastete Produkte, wie Kartoffelchips, Pommes frites, oder Knäckebrot, sollten möglichst selten verzehrt werden. Sie zählen nicht zu den ernährungsphysiologisch sinnvollen Produkten, da sie meist sehr kalorienreich sind, viel Fett und Salz, aber kaum Vitamine und Mineralstoffe enthalten.
    Frühstücks-) Cerealien sind bei Kindern heiß begehrt. Werden diese jedoch aus geröstetem Getreide hergestellt, kann der Acrylamidgehalt in die Höhe schnellen. Meist enthalten sie zudem sehr viel Zucker und damit Kalorien. Stellen Sie Ihrem Kind ein Müsli selbst zusammen bzw. kaufen Sie Cerealien ohne geröstete Bestandteile.

Wer grundsätzlich nicht auf diese höher belasteten Lebensmittel verzichten will, sollte folgende Empfehlungen beachten:
Nahrungszubereitung:

  • Beim Kochen und Dünsten entsteht kein Acrylamid. Beim Kochen im Dampfkochtopf und beim Garen in der Mikrowelle ist mit einer geringen Acrylamidbildung zu rechnen.
    Beim Kochen, Dünsten oder Braten von Fisch und Fleisch entsteht kein oder nur sehr wenig Acrylamid.
    Generell sollten kohlenhydratreiche Lebensmittel wie z.B. Kartoffeln nur so lange wie nötig und so niedrig wie möglich erhitzt werden. Neben der Temperatur spielt auch der Wassergehalt und das Garfett eine Rolle: je höher der Wassergehalt, desto weniger Acrylamid wird gebildet.
    Pommes frites und Toastbrot lieber "vergolden" statt "verkohlen".

Da derzeit das Risiko für Verbraucher nicht genau geschätzt werden kann, ist im Sinne des gesundheitlichen Vorsorgegedankens Vorsicht und Reduzierung bei den betroffenen Lebensmitteln die beste Empfehlung. Während in den USA und in Schweden bereits die Ergebnisse der Lebensmittelprüfungen öffentlich zugänglich sind, sind wir bei uns noch am Anfang.
Die Verbraucherzentrale meint: die Verbraucher können nicht warten, bis das Acrylamid-Problem gelöst sei. Verbraucher hätten Anspruch auf umfassende Information. Behörden und Wirtschaft müssten ihrer Verantwortung stärker als bisher nachkommen und die Acrylamid-Belastung von Lebensmitteln für den Verbraucher transparent machen.

Stand: 26.09.2006